Neuigkeiten

21.10.2022
Eröffnung Margot Müller Forum = 40 Jahre RWV Würzburg

40 Jahre Richard-Wagner-Verband Würzburg Unterfranken
– das Lebenswerk von Margot Müller


Prof. Dr. Bernd Gay


Der Richard-Wagner-Verband Würzburg Unterfranken – das Lebenswerk von Margot Müller, so habe ich diesen Festvortrag genannt, um zum 40. Gründungsjubiläum unseres Verbandes Margot Müller zu würdigen. Das persönlich Erlebte tritt dabei zwangsläufig in den Vordergrund, es kann aber letztlich nur ein Fragment bleiben. Bei der Niederschrift des Vortrags sind Porträtskizzen entstanden, die sich aus einer Reihe von Momentaufnahmen zusammensetzen. Das Anekdotische sollte dabei aber nicht zu kurz kommen.  

Es ist im Jahr 1985 gewesen. Margot Müller hatte sich ein Bein gebrochen, sie musste notfallmäßig operiert werden. Als ich am Abend dieses schicksalhaften Tages nach Hause kam, konnte ich meiner Frau und unseren Töchtern eine frohe Botschaft überbringen: „Ihr seid jetzt Mitglieder im Richard-Wagner-Verband Würzburg.“ Die Nachricht war für alle eine große Überraschung, da keiner recht wusste, wo er da hineingeraten war. Das sollte sich bald ändern! Diese, euphemistisch gesagt, unorthodoxe Mitgliederwerbung war häufig ein Erfolgsrezept zur Akquise neuer Mitglieder!                                                                                             

Aber der Reihe nach, beginnend mit der Gründungslegende.

Die konstituierende Sitzung des RWV Würzburg fand am 27.10.1982 im Gasthof Leicht in Biebelried statt. Laut Protokoll waren Margot Müller, Dr. Robert Meixner, Regierungspräsident von Unterfranken und später Kanzler der Musikhochschule Würzburg, Prof. Peter Hollfelder und 3 weitere Herren anwesend.

Margot Müller wurde zur ersten Vorsitzenden gewählt.

Auf der Mitgliederversammlung 1985 wurde stolz berichten, dass die Mitgliederzahl bereits auf 325 angewachsen war, Ergebnis eines unermüdlichen Werbens um neue Mitglieder.                                                      

Sehr früh hatte der Verband prominente Ehrenmitglieder.

Verena Lafferenz-Wagner, Enkelin Richard Wagners war das erste Ehrenmitglied. Es folgten bald Waltraud Meier, Weltstar aus Würzburg. Der dritte war Harry Kupfer, Chefregisseur und Nachfolger von Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin.

Bem 10-jährigen Gründungsjubiläum 1992 hatte sich der Verband schon auf 1156 Mitglieder vergrößert. Anlässlich dieses Geburtstags fand am 20. November 1992 eine Festveranstaltung mit den Ehrengästen Wolfgang und Gudrun Wagner statt. Den Festvortrag hielt der damals 85-jährige Prof. Kurt Pahlen zum Thema „Grundstein des Weltrepertoires der Oper“. Er erwähnte u. a., dass Wagners Werk heute lebendiger sei als zu Wagners Zeiten, als die Oper noch einer Elite vorbehalten war. Die einzige echte Gefahr, die er aktuell als existenzbedrohend für die Oper ansah, ginge nach Pahlen von den Regisseuren aus.

Interessant war auch die Feststellung, wonach das aktuelle Weltrepertoire der gespielten Opern die Zahl 500 keinesfalls übersteigen dürfte. Komponiert wurden ca. 60.000 Opern, die irgendwann in den letzten 400 Jahren gespielt wurden, dann aber in verstaubten Archiven, auf Dachböden oder sonstnochwo ihre letzte Ruhe fanden.

Sie dürften heute noch unentdeckt existieren.                                        

Ich denke dabei sofort an unseren Raritätenjäger, Herrn Studiendirektor Helmut Müller, der immer wieder auf Opern hingewiesen hat, die selten oder nicht regelmäßig in den Spielplänen erscheinen.

Spannend jedenfalls war es immer, mit Ihm auf Entdeckungsreise zu gehen!

Im gleichen Jahr 1992 führte uns eine Busreise nach Berlin in die Staatsoper zur Neuinszenierung „Parsival“ von Harry Kupfer und Hans Schavernoch, Dirigat Daniel Barenboim. Mit einer überragenden Waltraud Meier, der seit Jahren offiziellen Kundry in Bayreuth. Die Inszenierung war eine massive Ideologiekritik. Die Gralsritter wurden als Inkarnation aller Ideologen und Politiker dargestellt, die unter dem Vorwand einer ethisch höheren, gerechteren und freieren Ordnung der Menschheit nur Verderben gebracht haben.

Am 7. April 1993 fand eine unvergessliche Opernfahrt nach Mannheim statt. Im Rosengarten kam „Der Ring des Nibelungen an einem Abend“ mit Loriot und der großartigen Evelin Hamann zur Aufführung. Allein Loriots Inhaltsangaben waren literarische Meisterwerke! Er bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem schmalen Grat zwischen tiefgründigem Ernst und hinreißender satirischer Verfremdung. 

Ein Witzbold bemerkte hinterher treffend:                                                                                       

„Endlich, endlich hatte jeder kapiert, worum es im Ring eigentlich geht!“                     

 

Zwei Kostproben von Loriot:

„In den Jahren zwischen Rheingold und Walküre muss Wotan in Hochform gewesen sein. Damen aus den besten Kreisen schenkten ihm 8 gesunde Töchter.“

„Der Zwerg Mime, dessen geburtshilflichen Einsatz die Wöchnerin nicht überlebte.“

Die Opernreisen wurden schnell zu einem Markenzeichen des RWV Würzburg. Bald wurde Bus Loge angeschafft.

Mittlerweile „durchstöbert Loge Nr. 6“ im Sturm alle Winkel der Welt.“   

Wenn ich in Frau Müllers Rundschreiben die Anzahl der angebotenen Veranstaltungen und Reisen von 1982 – 2016 überschlage, dürften das weit über 1000 Events gewesen sein.                                                                                                 

Denjenigen unter ihnen, die jetzt verstohlen gähnen, weil sie befürchten, dass ich über alle Ereignisse berichte, sei zum Troste gesagt, dass meine Aufzählungen nicht annähernd so lange dauern, wie es eigentlich erforderlich gewesen wäre.

Auf den sehr komfortablen Fahrten mit Bus Loge wurden die Opernfreunde liebenswürdig betreut und versorgt. Es wurde an die kleinste Kleinigkeit gedacht, der Bordservice war perfekt. Unterwegs gab es Einführungsvorträge mit Musikbeispielen. Auf der Heimreise wurden die persönlichen Eindrücke kritisch diskutiert, nicht selten gab es kontroverse Bewertungen und Ansichten. Insgesamt blieben wunderbare und unvergessene Erinnerungen!

Der Kammersängerin Uta Priew, sie war viele Jahre (1988 - 2006) ständiger Gast in Bayreuth, haben wir sogar einmal einen Motorroller mit dem Bus Loge von Würzburg nach Berlin transportiert!

Margot Müller gelang es, am 05.11.1995 ein einmaliges Treffen zu arrangieren.

So etwas konnte nur ihr gelingen!

Unsere Gäste in der Residenz waren 3 Enkelinnen. Es waren Eva Humperdinck, Enkelin von Engelbert Humperdinck, Verena Lafferentz-Wagner, Enkelin von RW und Urenkelin von Franz Liszt sowie die Enkelin von Hans Richter. Eva Humperdinck trat als Sr. Evamaris in die Kongregation der Schöntaler Marienschwestern ein und veröffentlichte eine Biographie ihres Vaters Wolfram.

Hans Richter dirigierte in Bayreuth 1876 die erste Aufführung des „Ring des Nibelungen“.

Die Episoden und Anekdoten der 3 Damen waren höchst interessant und sehr erheiternd!                                                                                                                               

1996 konnte RWV Würzburg ein Konvolut von Autographen Richard Wagners bei einer Auktion in Genf erwerben. Es handelt sich um 29 Dokumente, darunter sehr wertvolle Briefe Richard Wagners an Freunde und seine Familie sowie einen eigenhändiger Programmentwurf zu den „Meistersingern“. Die Autographen gingen als Dauerleihgabe an das Haus Wahnfried zu Händen von Dr. Sven Friedrich, dem Chef des RW-Museums und des Nationalarchivs.                               

Am 03.11.1996 hatten wir Stephan Mickisch als Pianisten zu einem Klavierabend im Fürstensaal der Residenz zu Gast. Er spielte seine großartigen Paraphrasen zu verschiedenen Wagneropern. Mickisch war ein großer Musiker und Philosoph, mit Liebe zu den lyrischen Details, wobei er stets bemüht war, ein schwülstiges Pathos zu vermeiden. Stefan Mickisch hatte 1998 die konzertanten Einführungsvorträge während der Festspielzeit in Bayreuth zusammen mit dem unvergessenen Erich Rappl übernommen. Mickischs Vorträge waren kleine Kunstwerke, die regelrechten einen Kultstatus erlangt hatten. Es gab später viel Streit um ihn, der mit einem Hausverbot in Wahnfried endete. Er starb 2021 plötzlich im Alter von 58 Jahre, wohl ein Suizid.

Der 90. Geburtstag von Prof. Kurt Pahlen wurde am 10.06.1997 begangen. Pahlen war 36 Jahre Direktor des Teatro Colon in Buenos Aires gewesen. Er war Dirigent großer Orchester, so auch der Wiener Symphoniker und ein bedeutender Musikwissenschaftler. Er emigrierte 1933 nach Argentinien. Ihn verband eine enge Freundschaft mit Paul Hindemith und Erich Wolfgang Korngold.

Prof. Winfried Böhm, Institut für Pädagogik der Uni Würzburg, hielt eine eindrucksvolle Laudatio auf den Jubilar, zum Teil in spanischer Sprache.

Gelassen stand Prof. Pahlen an den Flügel gelehnt und erzählte frei ohne  Manuskript große und kleine Anekdoten aus seinem Leben. Die Erzählungen waren Lebensweisheiten, sie zeugten von einem schier unglaublichen Musikwissen. Die Schilderungen waren einerseits amüsant, andererseits fast Ehrfurcht erbietend. Besonders in Erinnerung ist mir die Beschreibung einer Begegnung mit Marcel Reich-Ranicki während des Krieges in Warschau, die Reich-Ranicki auch in seiner Biographie erwähnt.

Ein Zitat von Böhm: „Es war gelehrtes Reden über Musik, ohne die Musik zu zerreden.“    

Durch diese Veranstaltungen, die Auftritte namhafter Referenten und berühmter Künstler wurde das Kulturleben in Würzburg enorm bereichert. Die angebahnten Kontakte wurden gehegt und gepflegt. Bekanntlich erhalten auch kleine Geschenke die Freundschaft! Die hochkarätigen Gäste des RWV kamen immer wieder gern nach Würzburg zu uns. Eine besonders enge Verbindung bestanden über die Jahre zum Hause Wagner.           

Der große Musikkritiker Joachim Kaiser war zweimal unser Gast.

Ihm wurde ja häufig vorgeworfen, dass er zu viel über Literatur und Musik schreibt. Sie kennen vielleicht das Bonmot   „Im Falle eines Falles, schreibt Kaiser über alles“. Sehr interessant in seinem Vortrag war die Beurteilung der Bühnenrevoluzzer, wie er sie nannte, die durch Verballhornung der großen Literatur ein bisschen falsche Aufmerksamkeit von falschen Leuten erhofften. Häufig sei doch die Gratisfreiheit, die sicher mancher Regisseur im modisch gewordenen Destruktionstheater nimmt, nur ein Versuch, den eigenen Dilettantismus zu verbergen. Das Ergebnis sind dann sogenannte neue „Lesarten“, Umdeutungen, Aktualisierungen oder Verhohnepiepelungen. Ich denke da z. B. an Faust in der Straßenbahn und andere Mätzchen. Die Regie sei leider viel wichtiger geworden als es früher der Kapellmeiste war. Gerade bei Wagner bilden Text und Musik eine dialektische Einheit und dürfen keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden. Geschieht das, hat es den gleichen Effekt, als ob in einem Klavierkonzert von Mozart nur der Part für die linke Hand gespielt würde.

Ich erinnere mich an ein Abendessen mit Joachim Kaiser. Es wurde viel, sehr viel getrunken. Wir konnten Herrn Kaiser an diesem Abend das Versprechen entlocken, dass er beim nächsten Vortrag in Würzburg anstelle eines - nicht unbeträchtlichen Honorars - ein Abendessen mit Flusskrebsen aus dem Main - serviert bekommt. Er hat sein Versprechen gehalten, wir auch!                        

Eine Anekdote über die Liebe von Prof. Kaiser zu Schalentieren fällt mir ein.     

In einer Düsseldorfer Bierkneipe hat Kaiser die Kellnerin in seiner unnachahmlichen Art gefragt: „Kommt ihr Hummer eigentlich aus Helgoland oder von der norwegischen Küste? Ich bevorzuge nämlich die Helgoländer!“ Die Fortsetzung der Episode, in der von einer aufkreischenden Kellnerin die Rede ist, die etwas von Bratwurst und Krautsalat schrie, erspare ich mir. Ja, ein bisschen arrogant war der Gourmet schon!!                                                                          

Die Kritiken und Bücher von Joachim Kaiser bleiben zeitlos und hoffentlich unvergessen. Ich meine, er war der letzte universalgelehrte Kritiker der deutschen Feuilletons, der FAZ und SZ. Er starb 2017 mit 88 Jahren nach schwerer Krankheit.

1997 wurden 2118 Mitglieder im Verband gezählt.

In diesem Jahr war Margot Müller vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber der Bayerische Verdienstorden verliehen worden. Das war wenige Tag vor Eröffnung der Bayreuther Festspiele. Zu diesem Anlass sollte in München eine schöne rote Handtasche, passend zum Abendkleid, gekauft werden. Vor der Heimreise plötzlich ein großes Malheur: der Orden war nicht mehr da!  Ich bekam den ziemlich peinlichen Auftrag, die aufgesuchten Geschäfte abzuklappern und nach dem Orden zu suchen.

In jedem Geschäft löste meine Frage: „Haben sie vielleicht einen Bayerischen Verdienstorden gefunden?“ nur mitleidige Blicke und nachsichtiges Kopfschütteln aus. Als ich völlig gefrustet zum Auto kam, sagte Margots große Liebe, Herbert Hillmann, betont cool: „Was wollt ihr denn, der Orden liegt doch hier im Auto.“

Ja, jetzt sind wir bei Margots großem Schatz angelangt! Er war die große Liebe ihres Lebens, ein Grandseigneur der alten Schule, der Fels in der Brandung, ein ruhender Mittelpunkt, ausgleichend, zurückhaltend und weise.

Mit Herbert Hillmann besuchte Margot Müller 1953 das erste Mal die Bayreuther Festspiele. Sie sahen „Lohengrin“. Da schlug der Blitz ein! Es war geradezu ihr Erweckungserlebnis! Ihr großer Schatz hat Ihr die Einmaligkeit, Genialität und Größe der Wagnerschen Opern nahegebracht und vermittelt. Ich habe Herber Hillmann sehr geschätzt, obwohl ich gelegentlich mit ihm in eine Konkurrenzsituation geraten bin. Das war immer dann der Fall, wenn wir gemeinsam unterwegs waren und ich mit „Herr Müller“ angesprochen wurde. Meine Frau möge es mir nachsehen!

Herbert Hillmann starb am 16.02.1998 im Alter von 91 Jahren, ein schmerzlicher Verlust (geb. 30.09.1907). Sie waren 6o Jahre zusammen gewesen.

Der 15. Geburtstag unseres Verbandes wurde am 24.10.1997 zu einem wahrlich festlichen Ereignis, das mit einem Sonderkonzert begangen wurde. Peter Hollfelder spielte das herrliche Mozart d-moll Klavierkonzert, begleitet vom städtischen Philharmonischen Orchester. Anschließend folgte Beethovens 9. Symphonie. Die glänzend disponierte Singakademie Chemnitz und das städtische philharmonische Orchester unter der Leitung von Franzpeter Müller-Sybel, dem Bruder von Margot Müller aus Chemnitz, bescherten uns ein eindringliches und beglückendes Konzerterlebnis. Die Presse schrieb von einem „triumphalen Konzert“ und einem „Fest der Emotionen“.

Am 21.03.98 fand die Premiere von Lohengrin in Anwesenheit von Wolfgang und Gudrun Wagner im Mainfranken-Theater statt.

Der Schwan, der Schwan, das merkwürdigste Requisit der Operngeschichte!!          

Dargestellt als schockierende, asiatische Marionette, die sofort heftige Diskussionen ausgelöst hatte. Die Inszenierung von Elmar Fulda bewegte sich auf intellektuell höchstem Niveau. Es war wahrhaftig keine leichte Kost, wenn auch die Regie pauschal eher Ablehnung erfuhr. Keineswegs war das Ganze provinziell!

 

Die Nachwuchsförderung lag Margot Müller von Anfang an besonders am Herzen. Es heißt zwar, dass die Phönizier das Geld erfunden hätten, aber bekanntlich davon viel zu wenig!

Kunst braucht Mäzene, große Kunst braucht große Mäzene.                            

Zu diesem Zweck wurde 1999 die Herbert Hillmann und Margot Müller Stiftung ins Leben gerufen, deren Ziel die Förderung der Kunst, vor allem der Musik, des Gesangs, der musikalischen Ausbildung und des Dirigierens ist.                                                          

Ohne finanziellen Hilfen wären zahlreiche Opernaufführungen im Mainfrankentheater nicht möglich gewesen. Sämtliche Wagnerinszenierungen wurden großzügig unterstützt. Das Mainfranken Theater bekam vom RWV 242.000 € und von der Stiftung 102.000 €.                                                                                                                         

Im Gegensatz zur „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“, die durch Geldspenden die Festspiele mitfinanziert, unterstützen die RWVe durch finanzielle Zuwendungen den künstlerischen Nachwuchs. Hauptkriterium für die Auswahl ist allein die überdurchschnittliche Begabung. Die Verbände ermöglichen jedes Jahr 250 begabten Musikern und Sängern weltweit, die als Nachwuchs für die Bühne und das Bayreuther Orchester in Frage kommen, 3 Vorstellungen zu besuchen. Zahlreiche frühere Stipendiaten wurden Weltstar, z. B. Waltraud Meier und Diana Damrau.                                                                                                                                                              

RWV WÜ hat, halten sie sich bitte fest, von 1982 bis 2022 über 200 000 Euro in die Stipendienstiftung eingezahlt. Dadurch konnten 438 Stipendiaten unterstützt und die Opernbesuche in Bayreuth finanziert werden.

2009 konnte erstmals in Bayreuth eine Idee von Katharina Wagner, eine Wagneroper in einer kindgerechten Form aufzuführen, umgesetzt werden. Die Kinderoper war sofort ein voller Erfolg. Das war das Publikum von morgen!   

1999 fand eine Büste Richard Wagners im oberen Foyer des Theaters ihren Platz, deren Stifter der RWV war. Dieses Werk schuf der Künstler Frederic d`Ard. Je nach Blickrichtung schaut RW verspielt oder ernst, klassisch oder revolutionär drein. Es ist die Pose des Visionärs, den Blick weit in die Ferne gerichtet.

Zum 80-Jährigen Firmenjubiläum des Renault-Hauses Müller kam am 14.10.01 Carmina burana mit Singakademie Chemnitz unter Franzpeter Müller-Sybel und dem philharmonisches Orchester Würzburg zur Aufführung.     

Es war das Leib- und Magenwerk von Franzpeter Müller-Sybel!                                                         

2002 war ein schweres Jahr für das Würzburger Theater, denn die Finanznot war groß. Zur Diskussion stand die Schließung des Theaters und der Ersatz durch ein Bespieltheater.

Erinnert sei nur an die Unterschriftenaktion „Rettet das Theater“.

Mehrere Ereignisse fielen glücklicherweise zusammen. In Bayreuth war die Diskussion um die Nachfolge in der Festspielleitung heftig entbrannt. Die Topfavoritin Wolfgang Wagners war, wie nicht anders zu erwarten, seine Tochter Katharina. Nachteilig war allerdings, dass die potentielle Spitzenkandidatin noch nie eigenverantwortlich inszeniert hatte. Durch die engen Kontakte von Frau Müller nach Bayreuth und zum Würzburger Theater wurde es möglich, dass Katharina den in Würzburg geplanten Holländer inszenieren konnte.
                                                                        

Urenkelin inszeniert Urgroßvater! Das war doch mal was!

Endlich wieder große künstlerische Schlagzeilen! Sage und schreibe: über 60 internationale Kritiker reisten an. 

Am 22.09.2002, war die Premiere. Auf den gleichen Tag fielen die Bundestagswahl und der 20. Geburtstag unseres RWV.  

Um 18.00 Uhr stellten sich 2 Schicksalsfragen.

1.     Wer wird der nächste Kanzler? Stoiber oder Schröder.

In erste Walprognosen lagen schwarz-gelb und rot-grün gleichauf.

Um 21.00 Uhr war Edmund Stoiber für 30 Minuten Bundeskanzler. Erst nach Mitternacht wurde das sehr knappe Ergebnis bekannt.

Und die 2. Schicksalsfrage lautete:

Wer beerbt Wolfgang Wagner in Bayreuth?

Unser Würzburger Theater war für einen Abend der Nabel der Opernwelt.

Die Meinungen über die Regieleistung waren zwiespältig. Die Handlung war völlig entmystifiziert und entromantisiert worden.

Die Inszenierung war hart und grausam.

Daland ein brutaler Zuhälter und Mafioso,

der Holländer ein unerwünschter Ausländer.

Senta ein herumgeschubstes spätes Mädchen.

Blonde Barbie-Typen im Fitness-Studio, auf T-Shirts war zu lesen: Schlampe, Sexy usw.

Der Schluss: Pogrom in der Spelunke

Am Ende ein Buh-Gewitter, aber auch Bravi-Rufe und Beifall. 

Mut hatte die 24jährige ja bewiesen, aber reichte das?    

Premierenpromis gehen ja bekanntlich ganz auf Nummer sicher, indem sie sich eine Bewertung nicht früher erlauben, bevor ihnen die Feuilletons nicht die Meinung zu den aktuellen Regieeskapaden diskret offenbart haben.

Eleonore Büning in der FAZ: „Die knapp 1000 Mitglieder vom RWV Würzburg zeigten sich überwiegend entgeistert.“

Kommentar Gudrun Wagner: „wunderbar durchdacht.“

Wolfgang Wagner: „Ich lasse die Jugend frei walten.“

Alle 19 Vorstellungen des Holländer waren ausverkauft und

Katharina Wagner wurde Leiterin der Bayreuther Festspiele.

Die Weichen wurden in Würzburg gestellt.                                                

Am 12.02.2005 war die Premiere von Wagners Frühwerk „Die Feen“, die begeistert vom Publikum aufgenommen wurden.

Richard Wagner war ja bekanntlich von 1833-1834 Chordirektor in Würzburg, wo er die „Die Feen“ fertiggestellt hatte. Er wurde ab 13. Februar als „studiosus musicae aus Leipzig“ im Würzburger Polizeiregister geführt. Er stand noch unter Bürgschaft seiner Mutter und Geschwister, da er noch nicht volljährig war. In diesem knappen Jahr wurden am Würzburger Theater 19 verschiedene Opern aufgeführt, davon 5 Neuinszenierungen, 6 Schauspiele mit Musik und nur 10 Schauspiele. Ein ungeheures Programm! In Würzburg lebte auch Wagners ältester Bruder Albert, der alle großen Tenorpartien sang. Wagner musste neben der Chorleitung auch als Statist aushelfen, wie das damals durchaus üblich war. Ballettauftritte dürften ihm aber erspart geblieben sein, denn es wurde nur ein Ballett aufgeführt.

Nach Fertigstellung der Oper „Die Feen“ schrieb er in einem Brief an Schwester Rosalie „Mein Gott, ich bin ja erst 20 Jahre alt!“ Seine erste große Opernpartitur lag fertig in „3 starken Bänden“ vor. Es war mittags am 6. Januar 1834 12.00 Uhr, von allen Kirchtürmen läuteten die Glocken. „Laudetur deus“ fügte er als Coda hinzu.  So festlich wie in Würzburg hat Wagner später niemals wieder eine Partitur beenden können (O. G. Bauer)!

Am 27.April 2005 dirigierte Christian Thielemann die Münchner Philharmoniker im Mainfranken Theater. 110 Musiker stellten hohe organisatorische Anforderungen (4Sternehotel, Dienstwagen u. ä.).  Thielemann war gerade von Berlin nach München als Nachfolger von James Levine gekommen. Zur Aufführung kam Bruckners 5. Symphonie, die er auch zu seinen Einstand in München dirigiert hatte.                                         

Ein schmerzlicher Verlust traf uns alle am 06.12.2005. Es verstarb nach schwerer Krankheit unser Freund Peter Hollfelder.                                

Am 09.11.2007 war Tankred Dorst unser Gast im Toscanasaal. Er galt schon lange als einer der bedeutendsten Dramatiker der Gegenwart. Er führte 2006 erstmals Opernregie mit einem außerordentlichen Konzept des Rings in Bayreuth. Er führte verschiedene Zeitebenen, - Gleichzeitiges und Ungleichzeitiges - im Sinne von Bernd Alois Zimmermann von der „Kugelgestalt der Zeit“ als Grundidee von der Aufhebung des Zeitprinzips ein.

Jemanden zu loben, ist heutzutage schwer geworden, ganz einfach deshalb, weil das Vokabular dafür durch die Inflation von Superlativen verbrannt wurde. Einer der mehrere Tore schießt, wird zum Fußballgott, wer eine gute Suppe kochen kann, hat einen Gourmettempel.

Durch Frau Müllers unermüdliche Werbung, vor allem durch ihren Charme und ihre mitreißende Begeisterungsfähigkeit, wuchs die Mitgliederzahl stetig, sodass der RWV Würzburg zum mitgliederstärksten Verband mit über 3000 Mitgliedern weltweit wurde.

Auch gibt es ältere Verbände, aber zahlenmäßig und bezüglicher seiner Aktivitäten blieb der RWV Würzburg wohl unübertroffen.

Der kometenhafte Aufstieg unseres RWV ist das Lebenswerk von Margot Müllers.

Wie konnte sie das leisten?

Woher kam ihre unerschöpfliche Energie?

Eine mögliche Antwort wäre:

„Arbeit, die man gern tut, erhöht die Lebensfreude.“ Diesen Satz von Margot Müller haben wir oft gehört, denn er bestimmte ihr Handeln.

Oder eine andere mögliche Antwort lautet:

“Alles Misslingen hat seine Gründe, alles Gelingen sein Geheimnis“.

Es treffen wohl beide Erklärungen zu.

Erholung fand Margot während der Festspielzeit in Bayreuth oder in wenigen Tagen im Hotel Regena in Bad Brückenau.  Das war ein Jungbrunnen für sie. Von diesen Reisen kehrte sie jedes Mal wie neugeboren in Ihr Büro zurück.

Vielleicht ging es ihr auch wie Zubin Meta. Der große Dirigent sagte einmal: „Ich brauche keine Ferien, mein Urlaub ist das Adagio aus Bruckners 8. Symphonie“.

Ihren Betrieb und den RWV dirigierte Frau Müller von einem winzigen Büro aus, welches mit einer Unzahl von Schriftstücken, Akten, Büchern Fotoalben, persönlichen Erinnerungsstücken, Urkunden, Auszeichnungen usw. angefüllt war. Das Ordnungssystem blieb ihr Geheimnis!

Ich habe ihr damals 2 Schilder geschenkt. Auf dem einen stand:

„Nicht stören, Genie bei der Arbeit.“

Und auf dem zweiten war zu lesen:

„Nur das Genie beherrscht das Chaos.“

Wer je diese Kommandozentral betreten hat, wird mir zustimmen!

Am 21.04.2010 verstarb Wolfgang Wagner im 91. Lebensjahr. Er hatte mehr als   50 Jahre die Festspiele geleitet. In einem wunderbaren Nachruf hat Margot Müller die künstlerische Leistung und die Persönlichkeit des Festspielleiters eindrucksvoll gewürdigt.

Am 02.12.2010 beging Verena Lafferentz-Wagner, unser Ehrenmitglied, ihren 90.Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums und des 80. Todestages ihres Vaters Siegfried Wagner fand in Würzburg die Welturaufführung von Siegfried Wagners „Friedenshymne“ statt. Das Oratorium war 1918 zum Ende des 1. Weltkrieges entstanden. Das Werk fand großen Anklang beim Publikum. Es löste bei allen großes Erstaunen aus, vor allem aber wegen der äußerst anspruchsvollen Musik.

Am 21. Oktober 2011 wurde der 90. Geburtstag von Margot Müller im Toscanasaal gefeiert. Es erklang das „Siegfried-Idyll“, das 1869 zur Geburt des Sohnes Siegfried in Tribschen am Vierwaldstätter See erstmalig erklungen war.

Übrigens: Arturo Toscanini dirigierte 1938 diese Morgenständchen für Cosima beim ersten Lucerne Festival. Bekanntlich reagierte der Maestro auf akustische Störungen bei seinen Aufführungen stets heftig, sodass diesbezüglich Vorkehrungen zu Wasser, zu Land und in der Luft getroffen wurden. Sowohl der Schiffsverkehr auf dem Vierwaldstätter See als auch der Flugverkehr wurden komplett eingestellt, Kinder von den Straßen geholt und Hunde mussten schalldicht verwahrt werden. (so Bruno Walter in „Thema und Variationen“)

Am 29.09.2012 wurde der Hochschule für Musik das 30-jährige Bestehen RWV WÜ festlich begangen. Zu Gast war das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Donald Runnicles, das mit einer Wagner-Gala ihr großes Können unter Beweis stellte.

Am 06.04.2016 fand eine große Wagner-Gala im CCW mit den Stargästen Günther Groissböck, Klaus Florian Vogt und Karen Leiber statt.

Für Margot Müller wurde der Abend zum Abschied von ihren alten und jungen Freunden.

Groissböck sang aus den Meistersinger „Was duftet doch der Flieder“.

Es erklangen die Ouvertüre zu Rienzi und das Vorspiel zu Tristan und Isoldes Liebestod, gesungen von einer hinreißenden Karen Leiber.

70 Musiker spielten bestens aufgelegt unter der Leitung von unserem GMD Enrico Calesso. Zum krönenden Abschluss eine grandiose Gralserzählung, dargeboten von Klaus-Florian Vogt.

An Margot Müller gerichtet sang Klaus-Florian Vogt „Dein ist mein ganzes Herz“ mit so rührendem Schmelz, dass sich mancher eine Träne von der Wange wischen musste.

Wir erlebten Margot Müller bis ins hohe Alter von beneidenswerter Vitalität. Erst die letzten Monate waren durch Unfälle und Erkrankungen geprägt.

Am 14. Mai 2017 ist Margo Müller verstorben.

Es war ein sehr erfülltes Leben.

Beerdigung fand am 02.06.2017 unter sehr großer Anteilnahme aus Politik und Kulturbetrieb stat. Das herausragende soziale und gesellschaftliche Engagement wurde von zahlreichen Redner gewürdigt. Die Trauerfeier wurde musikalisch umrahmt vom Orchester des Mainfranken Theaters unter der Leitung von Enrico Calesso.

    

Heute feiern wir den 40. Geburtstag des RWV Würzburg und denken an Margot Müller, die am 01. Oktober 101 Jahre alt geworden wäre.  

Ihrem Lebenswerk wird mit diesem Forum ein Denkmal gesetzt. Wir sind ihr zu großem Dank verpflichte.

Eigentlich könnte ich jetzt meinen Vortrag beenden, was ich aber nicht tue.

Es gilt nämlich, noch 2 Menschen herzlich zu danken.

Unserem Vorsitzenden, Thomas Kestler und seiner Assistentin, Frau Amrehn.

Durch ihren großen Einsatz ist es gelungen, dieses wunderschöne Forum zu errichten. Die Schwierigkeiten, bedingt durch Corona, Problemen mit den Handwerkern usw. waren immens, trotzdem ist alles wohl gelungen,

Darf ich in diesem Falle Wotan zitieren

  „Prächtig prahlt der prangende Bau“.

     

 

Festvortrag zur Eröffnung des Margot Müller Forums Würzburg am 21.10.2022

 

 

 

 

 

Literatur

Bauer, O. G. Richard Wagners theatralische Sendung
Vortrag Kuratoriumssitzung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth
27.05.1988 in Würzburg


Fest, J. Begegnungen             
Rowohlt Verlag 2006

Pahlen, K. Opernlexikon  
Heyne Verlag 1995

Walter, B. Thema und Variationen   
Verlag S. Fischer 1960

(Weiterführende Literatur beim Verfasser)